Gamification im Chemieunterricht
Gamification (deutsch: Spielifizierung) bezeichnet die Anwendung spieltypischer Elemente in einem spielfremden Kontext. Ziel ist es, mithilfe von Highscores, Punkten oder anderen Elementen die Motivation der Teilnehmer*innen zu steigern. Der Einsatz solcher Methoden im Klassenzimmer erfreut sich spätestens seit der, wenn auch teilweise langsam fortschreitenden, Digitalisierung immer größerer Beliebtheit. Gleichzeitig steht die Methode auch in der Kritik, sie sei für den pädagogischen Kontext nicht zielführend.
Umfragen unter Lernenden zeigen, dass 67% der Teilnehmer*innen motivierter als im klassischen Unterricht fühlten, wenn Game-Elemente enthalten waren.
Um dies zu erreichen, kann man sich verschiedener Elemente bedienen, welche typisch im spielerischen Kontext sind. Eines davon ist das sogenannte „Storytelling“. Hierbei geht es darum, eine interessante Geschichte rund um die zu lösenden Aufgaben zu entwickeln und in dieser Geschichte Rollen an die Lernenden zu verteilen, etwa als Magier*innen oder Forscher*innen. Ein zweiter, die Motivation steigernder, Aspekt ist die Form des Feedbacks. Es werden etwa Highscores eingeführt, die es zu knacken gilt oder man kann Belohnungspunkte sammeln, wenn man eine Aufgabe gelöst hat.
Der Ansatz klingt also zunächst durchaus spannend. Doch er lässt sich nur effektiv in den Unterricht einbauen, wenn die Lehrkraft gewisse Vorraussetzungen dafür schafft. Erstellt man ein Game für eine Unterrichtseinheit, dann sollten auch wirklich alle Aufgaben in diesen Kontext eingebettet werden. Gleichzeitig sollte man dafür sorgen, schwächere Schüler*innen bestmöglich zu integrieren und zum Beispiel in Teams zu arbeiten. Außerdem sollte man berücksichtigen, dass das Tempo der Gruppen sicherlich unterschiedlich sein kann und sich geeignete Möglichkeiten überlegen, diese Differenzen zu überbrücken.
Escape Rooms im Unterricht
Eine Idee, den Gamification-Ansatz für den Unterricht zu nutzen, kam mir während der Quarantäne. Passend zur derzeitigen Situation beschlossen wir, uns in einen virtuellen Escape Room einsperren zu lassen und uns mithilfe von Rätseln aus den Fängen einer Magierin zu befreien und uns so einen weiteren Abend zuhause zu vertreiben. Angelehnt an das Konzept eines physischen Escape Rooms gibt es eine spannende Hintergrundgeschichte und Aufgaben, die man in deren Kontext lösen muss. Überraschenderweise hat das Rätseln richtig viel Spaß gemacht, auch wenn man keine physische Befreiungsaktion starten konnte. Und so kam mir die Idee, das Konzept des virtuellen Escape Rooms als Grundlage für eine Unterrichtsidee zu nehmen und entsprechend anzupassen.
Die Idee des Escape Rooms basiert darauf, als Gruppe gemeinsam knifflige Rätsel zu lösen, um so aus einem abgeschlossenen Raum herauszukommen. Natürlich wäre es deutlich spannender, dieses Konzept in einem richtigen Klassenzimmer mit Experimenten durchzuführen, aber hat man die Story und die Aufgaben einmal erstellt, kann man sie entsprechend anpassen und Experimentiervorschriften einbauen und das Material im Klassenzimmer bereitstellen. Da dies aber vorerst nicht möglich ist, bleiben wir zunächst beim virtuellen Escape Room. Vorteil dieser Methode ist sicherlich auch, dass die digitale Vorbereitung deutlich weniger aufwendig ist, als das Vorbereiten eines physischen Escape Rooms im Klassenzimmer, vor allem, wenn man nur in 90-Minuten-Einheiten planen kann.
Grundlegendes beim Erstellen eines Escape-Rooms
Mein Escape Room ist für die 10. Klasse im Kontext des Chemieunterrichts gedacht. Schwerpunkt liegt auf der organischen Chemie und die Einheit ist als Wiederholung der organisch-chemischen Grundlagen im fortgeschrittenen Semester gut einsetzbar. Einige Dinge sollte man grundlegend beim Erstellen und Durchführen des Escape Rooms beachten:
- Feste Zeitvorgabe
- Arbeit in Teams
- eventuell Hilfen, die man mit Punkten bezahlen kann, um bei heterogenen Klassen zu differenzieren
- Einheitliches Bepunktungs- oder Belohnungssystem schaffen (hier kann z.B. Google-Quizzes eingesetzt werden, wo die Schüler*innen ihre Lösungen eingeben und dafür Punkte erhalten können). Hier sollte möglichst Transparenz herrschen. Ein digitales Tracking der Punkte ist daher auch vermutlich weniger fehleranfällig und führt zu weniger Frust bei den Schüler*innen.
- verschiedene Elemente einsetzen, um Monotonie zu vermeiden
Geeignete Elemente für einen Escape-Room sind zum Beispiel:
- Geheimschriften entschlüsseln
- Rätsel mithilfe des Wissens aus dem Unterricht lösen
- Codes knacken (z.B. Zahlencodes)
- Elemente (z.B. einer Apparatur) in die richtige Reihenfolge bringen
- Zuordnungsaufgaben
- Einsatz von Dekodierschreiben
- Suchsel
- Suchbilder oder Bilderrätsel
Escape Room: Labor Edition Klasse 10
Das Vorbereiten der einzelnen Rätselelemente nimmt durchaus einige Zeit in Anspruch. Es gibt auch zahlreiche vorgefertigte Escape Rooms (vor allem in den Sozial- und Geisteswissenschaften), aber möchte man gezielt den Unterrichtsstoff wiederholen, dann ist man auf der sicheren Seite, wenn man seine eigenen Inhalte einbaut. Inspirieren und auf die bestehenden Vorlagen zurückgreifen, ist sicherlich aber niemals verkehrt. Für den Chemieunterricht habe ich leider bisher nichts Geeignetes oder Passendes gefunden und mich deshalb selbst ans Werk gemacht:
Die Schüler*innen sind als Teams (hier eventuell auf entsprechende Maßnahmen bei der Gruppeneinteilung achten) in einem alten Geheimlabor der Regierung gelandet, aus dem sie nicht mehr entkommen können, da niemand, der es jemals betreten hat, wieder herauskommen soll. Beim Verschließen der Tür wurde eine chemische Reaktion in einer Apparatur in Gang gesetzt, die ein tödliches Giftgas produziert, dessen Konzentration im Raum mit Ablauf der Zeit immer weiter ansteigt. Um die Reaktion abzubrechen und die Tür nach draußen zu öffnen, müssen die Gruppen verschiedene Rätsel rund um die organische Chemie lösen und wiederholen dabei den bereits gelernten Stoff (z.B. Homologe Reihe, Struktur-Eigenschafts-Beziehungen, Nomenklatur, Oxidation von Alkoholen, Carbonsäuren, Estersynthese).
Was es sonst noch zu beachten gilt
Der Kontext und die Komplexität des Stoffes verraten bereits, dass sich dieser Escape Room also an ältere Schüler*innen richtet. Er kann auch als wiederholender Einstieg der organisch-chemischen Grundlagen in der Kursstufe genutzt werden. Solange man sich im virtuellen Raum befindet, muss man natürlich auch nicht auf die Einhaltung der Sicherheitsstandards achten. Möchte man einen Escape Room aber im Chemieunterricht einsetzen, sollte man sich natürlich der Durchführbarkeit unter Einhaltung der Laborsicherheit vergewissern und seiner Lerngruppe zutrauen, die geforderten Experimente selbstständig und sicher durchzuführen. Außerdem braucht es auch entsprechend Platz im Chemiesaal, um eine Lerngruppe mit mehr als 20 Schüler*innen parallel darin arbeiten zu lassen. Hier sollte man sich vorher vergewissern, dass alles sicher und einwandfrei ablaufen kann.
Eine weitere Idee für einen Escape Room im Chemieunterricht könnte zum Beispiel der Einsatz bei der Einheit „Stoffe und Stofftrennung“ mit entsprechenden Versuchen im chemischen Anfangsunterricht sein. Möglich wäre es eventuell auch bei der Einführung stöchiometrischer Grundlagen in Klasse 8 oder 9, einen Escape Room zu entwickeln, bei dem die Lernenden einen Zaubertrank zubereiten müssen, für den sie die entsprechenden Zutaten in den exakten Mengen berechnen müssen.
Hier geht es zum Download des virtuellen Escape-Rooms:
Sobald ich wieder in den „normalen“ Unterricht einsteige, werde ich mich sicherlich auch mal mit einem physischen Escape-Room im Chemieunterricht befassen – inklusive Experimente und Setting. Aber derzeit scheint das hier noch so weit weg, dass ich mich erstmal mit dem virtuellen Unterricht auseinandersetze und fleißig Ideen sammle!
Quellen und weiterführende Links:
https://www.medienkompetenzportal-nrw.de/handlungsfelder/schule/medienpaedagogisches-lernen/gamification-im-unterricht.html
https://www.betzold.de/blog/gamification/
https://www.martina-rüter.de/training-pcsoftware/fur-schule-und-unterricht/escape-room-als-unterrichtskonzept/
https://education.minecraft.net/
https://www.cornelsen.de/magazin/beitraege/was-bringt-gamification-im-unterricht
Hi!
Ich finde die Idee mit dem Escape-Room mega cool, aber ich muss ehrlich gestehen, dass ich den letzten Schritt nicht verstehe… Wozu benötigt man das Codewort [Erlenm…] und wie kommt man dann auf die Zahlenkombination bzw. welcher Gegenstand ist da gemeint?
Gibt es vllt. eine Lösung für die Rätsel?
Ganz lieben Gruß!